Eine ungewöhnliche Studie ließ boersengefluester.de vor ein paar Jahren aufhorchen. Demnach hatten Forscher der amerikanischen Seton Hall Universität herausgefunden, dass Aktien von Unternehmen, deren Anfangsbuchstabe sich im Alphabet eher vorn befindet, im Schnitt häufiger gehandelt werden und auch höher bewertet sind, als Titel von Firmen mit einem Anfangsbuchstaben aus dem hinteren Teil des Alphabets (HIER). Die beinahe schon banale Erklärung für dieses Phänomen: Beim Durchforsten von Aktienlisten fangen Investoren regelmäßig oben an, so dass Titel wie Amazon oder Apple besonders viel Aufmerksamkeit erhaschen. Wir haben mehrfach die Probe für Deutschland gemacht, konnten aber keine signifikanten Unterschiede bei der mittelfristigen Kursentwicklung – gemessen an den Anfangsbuchstaben der einzelnen Unternehmen – feststellen.
So gesehen dürfte der jüngste Neuzugang in der Datenbank von boersengefluester.de (BGFL) – die 029 Group SE – auch keinen Performancevorteil haben, selbst wenn die 029 Group in unserer alphabetischen Aktienliste auf Platz 1 vor Unternehmen wie 123 Fahrschule, 2G Energy, 3U Holding, 4SC oder auch 7C Solar steht – erst danach geht es bei BGFL von A.S. Création bis Zooplus weiter. Tatsächlich haben die Firmengründer von 029 bei der Namensgebung auch nicht an Kurstabellen gedacht, sondern zielen auf die englische Aussprache des Glückshormons Serotonin (“zero-two-nine”) ab. Bei findigen Nebenwerte-Kennern wird es vermutlich jetzt erstmals klingeln – und ja: Hinter der 029 Group steckt zum großen Teil Christian Angermayer, jener Multi-Investor, der unter anderem mit seinen Engagements in Compass Pathways oder Atai Life Sciences – bei den Biotech-Firmen geht es um die Überwindung von psychischen Problemen etwa mit Hilfe von psychedelisch wirkenden Pilzen – für Schlagzeilen sorgt.
Großer Unterschied: Die seit wenigen Tagen auch auf Xetra handelbare 029 Group ist keine Pharma-Company, sondern eine Beteiligungsgesellschaft mit den Schwerpunkten Gastgewerbe und Lifestyle. Das 029-Management-Team sind mit Lorin Van Nuland (Apeiron), Juan Rodriguez und Thomas Hanke (beide ehemals Heliad Equity Partners) durchweg bekannte Namen in der Spezialwerteszene, die seit Jahren einen engen Draht zu Christian Angermayer haben und allesamt auch Aktionäre der 029 Group sind. Den Löwenanteil hält mit 37,19 Prozent jedoch die Angermayer zurechenbare Apeiron. Mit an Bord ist aber auch – und damit ist das Team beinahe komplett – die Black Mars Capital um Marco Beckmann.
Eingeleitet wurde das Listing durch die Einbringung von insgesamt sechs Beteiligungen gegen Ausgabe von 4.750.000 neuen Aktien, wobei das mit Abstand wichtigste Asset ein Paket von 37,2 Prozent an der in Zug (Schweiz) ansässigen Hotelgruppe Limestone Capital – Markenname: Aethos Hotels – ist. Verglichen mit ähnlichen Unternehmen aus dem Sektor wie Eperimental Group, Habitas, MHP Hotel oder Soho House dürfte Limestone Capital einen Wert zwischen 100 und 200 Mio. Euro haben – entsprechend einem auf die 029 Group durchgerechneten Anteil von 37 bis 74 Mio. Euro haben. Damit wäre die Börsennotiz der Berliner allein durch Limestone/Aethos weitgehend abgedeckt. Ebenfalls aus der Schweiz stammt die Luxusreise-Gruppe Emerald Stay, an der die 029 Group 5,2 Prozent hält.
Im Lifestyle-Segment ist das Unternehmen derweil an der britischen CBD-Getränkemarke TRIP Drink oder auch an dem amerikanische Bourbon-Start-up beteiligt. „Die 029 Group bildet eine einzigartige Symbiose aus Luxus, Innovation und Gemeinschaft für die Welt nach der Pandemie“, fasst Mitgründer Lorin Van Nuland das Geschäftskonzept zusammen. Im Schnitt sollen die Beteiligungen zwischen fünf und zehn Jahren im Portfolio bleiben, wobei die jetzige Mischung noch weiter ausgebaut werden soll. Nicht unwahrscheinlich, dass es dafür weitere Kapitalerhöhungen geben wird. Apeiron wiederum hat sich bis Anfang April 2023 einem Lock-up für die eigenen Aktien unterworfen.
Losgelöst davon brauchen sich Anleger derzeit erst gar nicht groß mit den Fundamentalkennzahlen der 029 Group beschäftigen: Noch ist da nämlich nicht viel zu vermelden. Auf Pro-forma-basis gab es in den ersten sechs Monaten 2022 einen Verlust von knapp 83.500 Euro – das Eigenkapital beträgt laut Wertpapierprospekt zum Listingstart 21,82 Mio. Euro. Boersengefluester.de wird die weitere Entwicklung auf jeden Fall kontinuierlich verfolgen. Ist ja wohl auch klar, angesichts unserer neuen „Nummer 1-Aktie“. Die Börsenumsätze in dem Titel sind immer noch sehr überschaubar, geeignet ist das Papier entsprechend nur für sehr risikobereite Investoren. Als heimischen Vergleichswert würden wir am ehesten die Aktie von MHP Hotel sehen.
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