Ladesäulen für Elektrofahrzeuge sind ein schnell wachsender Markt, der gerade erst in der Anfangsphase steckt. Entsprechend groß ist auch das Interesse an der Aktie von Compleo Charging Solutions. Im Interview mit boersengefluester.de blickt CEO Georg Griesemann auf die Entwicklung seit dem IPO zurück und erklärt die Wachstumsstrategie des in Dortmund ansässigen Unternehmens. Immerhin steht Compleo mit der Übernahme von innogy eMobility Solutions vor einem wichtigen Meilenstein in der Firmengeschichte. „Wir wollen wir den nächsten Schritt machen zum Komplettanbieter für Ladetechnologie in Europa“, sagt Griesemann. An der Börse ist Compleo beim jetzigen Kurs von knapp 69 Euro rund 267 Mio. Euro wert. Die Kursziele der Analysten für den im streng regulierten Prime Standard gelisteten Titel bewegen sich durchweg im dreistelligen Bereich.
Herr Griesemann, 13 Monate nach dem IPO im Prime Standard liegt der Aktienkurs von Compleo Charging Solutions um 40 Prozent über Ausgabekurs. In der Spitze waren es allerdings auch schon mal fast 140 Prozent. Wenn Sie die Zeit Revue passieren lassen: Was lief gut und wo haben sich Ihre Erwartungen nicht erfüllt?
Georg Griesemann: (lacht) Das fühlt sich alles deutlich länger an als nur ein gutes Jahr, was wahrscheinlich daran liegt, dass wir seither enorm viel von unserer Wachstumsstrategie umgesetzt haben.
Die europäische Expansion etwa haben wir über strategische Kooperationen in Österreich, Polen und in der Schweiz vorangetrieben. In Österreich haben wir eine Tochtergesellschaft gegründet und seit Juli arbeiten wir noch intensiver mit unserem langjährigen dänischen Partner Clever zusammen. Ein weiterer wichtiger Schritt war zudem der Ausbau der bewährten Zusammenarbeit mit unserem Partner E.ON, der nun europaweit das komplette Compleo-AC-Produktportfolio über seine Vertriebsgesellschaften anbietet.
Um die notwendigen Kapazitäten für die rasant steigende Nachfrage zu schaffen, hatten wir bereits im Frühjahr mit einem Teil unserer Produktion sowie den F&E-Teams auf 5.100 Quadratmetern einen neuen Standort in Dortmund bezogen. Im zweiten Quartal 2021 haben wir dann unseren Wettbewerber wallbe übernommen und die Integration Ende September erfolgreich abgeschlossen. Mit Compleo Connect, also der früheren wallbe, haben wir uns mit rund 70 weiteren Mitarbeitenden verstärkt, die insbesondere Expertise im Bereich Bezahlsysteme und AC-Wallboxen mitbringen. Und aktuell haben wir schon wieder die nächste Übernahme gestartet. Parallel haben wir auch unser Produktportfolio weiterentwickelt, unsere Wallbox SOLO nun im Oktober in den Markt eingeführt, eine Zulassung für eichrechtskonforme Ladestationen in Österreich erhalten und unsere HPC-Ladesäule weiter entwickelt.
Und mit Blick auf das reine Börsenlisting?
Georg Griesemann: Rückblickend können wir sagen, dass der Börsengang die absolut richtige Entscheidung für Compleo war und aus unserer Sicht eine klare win-win-Situation ist. Wir haben über den Kapitalmarkt eine attraktive Option unsere Wachstumspläne zu finanzieren und Investoren können über Compleo als Pure-Play-Anbieter von Ladelösungen am E-Mobility-Trend partizipieren.
Nach der Übernahme der früheren Wallbe steht nun die Akquisition von innogy eMobility Solutions auf der Agenda. Warum die Zukäufe: Wachsen Sie organisch nicht stark genug?
Georg Griesemann: Reines Wachstum ist nicht unsere Motivation hinter dieser Strategie, wir wollen uns nicht einfach Umsatz dazukaufen. Vielmehr geht es uns um unsere strategische Weiterentwicklung hin zu einer Compleo 2.0. Indem wir zukünftig die Stärken von wallbe, innogy eMobility und Compleo bündeln, wollen wir den nächsten Schritt machen zum Komplettanbieter für Ladetechnologie in Europa. Wir können dann alles aus einer Hand liefern – Ladestationen, Software-Services und Onsite-Services für Großprojekte.
Was macht innogy eMobility denn so interessant für compleo?
Georg Griesemann: Als wir mit Compleo an die Börse gegangen sind, waren wir auf der Hardwareseite technologisch schon absolut top positioniert und wir können uns mit Stolz als Pionier und Innovationstreiber im Markt bezeichnen. Mit wallbe haben wir dann unsere Software-Expertise im Bereich der Bezahlsysteme verstärkt und unser erste eigene SaaS-basierte Betreibersoftware erhalten. Mit innogy eMobility Solutions machen wir jetzt den nächsten Schritt: innogy eMobility bietet neben der Komplettsoftwarelösung für Unternehmen, die Ladesäulen für ihre Kunden oder Mitarbeiter betreiben, auch eine vollständige IT-Plattform zur Bereitstellung von Softwarelösungen für Unternehmen aus der Elektromobilitätsbranche, beispielsweise für CPOs (Charge Point Operators = Betreiber der Ladesäulen) und EMPs (E–Mobility Provider).
Das Basisprodukt ist ein abonnementbasiertes CPO-Backend. Dabei handelt es sich um ein cloudbasiertes zentrales Managementportal zur Verwaltung von Ladepunkten und Ladevorgängen. Verschiedene Zusatzprodukte können erworben werden, um die Funktionalität des Backends zu erweitern, zum Beispiel für ein dynamisches Lastmanagement. Eines dieser Zusatzprodukte, ermöglicht es zudem an einem transaktionsbasierten Gebührenmodell aus Ladevorgängen im Netzwerk zu partizipieren. Dieses eMobility-Backend vernetzt schon heute weltweit rund 200.000 Ladepunkte. Wir positionieren Compleo damit sowohl im Bereich SaaS als auch im transaktionsbasierten Ladegeschäft als führenden Anbieter.
Die Anfang Oktober reduzierten Prognosen für 2021 haben an der Börse für eine Verkaufswelle gesorgt. Warum mussten Sie die Anpassungen vornehmen und wie hat sich die Lage seitdem entwickelt?
Georg Griesemann: Hier kamen gleich mehrere Faktoren zusammen. Adverse Bedingungen am Beschaffungsmarkt für Elektronikkomponenten etwa führten zu deutlichen Lieferverspätungen in der Produktion und unerwartete Veränderungen des Abrufverhaltens einzelner Kunden führten teilweise zu temporären Volumenrückgängen. Daneben mussten wir aber auch den für das erste Quartal vorgesehene Launch der neuen SOLO-Wallboxen aufgrund von fortgeführten Optimierungsmaßnahmen und durch den Mangel an Halbleitern sowie durch global unterbrochene Lieferketten auf Anfang Oktober verschieben. Die ersten Produktvarianten für den Privatbereich und für den halböffentlichen gewerblich-industriellen Bereich sind nun aber ab sofort in hohen Stückzahlen lieferbar und wir haben auch bereits einen Rahmenvertrag mit einem großen Energieversorger mit internationalen Strukturen geschlossen, der die SOLO in signifikanten Mengen abnehmen wird. Nachdem wir aufgrund dieser Faktoren die Anpassung vornehmen mussten, sehen wir uns auf sehr gutem Weg unsere Ziele zu erreichen.
Kürzlich haben Sie den Q3-Bericht vorgelegt. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Punkte?
Georg Griesemann: Was wir alles operativ und strategisch in 2021 erreicht haben, habe ich beschrieben. In a nutshell kann man aber festhalten: Compleo ist nach wie vor auf Wachstumskurs. Denn trotz der beschriebenen dämpfenden Faktoren haben wir unseren Umsatz in den ersten neun Monaten 2021 um rund 57 Prozent auf 37,6 Millionen Euro erhöht. Haupttreiber waren die AC-Ladestationen mit einem Plus von rund 137 Prozent. Einen entscheidenden Anteil hierzu hat auch die Compleo Connect geleistet. Übrigens spiegelt sich unser Wachstum auch sehr schön in unserer Mitarbeiterzahl wieder: Wir sind mit rund 200 Mitarbeitern an die Börse gestartet, heute sind wir inklusive der Kolleginnen und Kollegen von Compleo Connect schon mehr als 450, durch den Erwerb von innogy eMobility werden über 100 Weitere hinzukommen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBITDA1,2 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBITDA-Marge3 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBIT1,4 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBIT-Marge5 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Jahresüberschuss1 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Netto-Marge6 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Cashflow1,7 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
Der Ladesäulen-Markt für Elektro-Autos befindet sich vermutlich gerade erst am Anfang der Entwicklung. Welche großen Veränderungen erwarten Sie in den kommenden Jahren?
Georg Griesemann: Das ist in der Tat so und die E-Mobilitätswelle rollt überall jetzt erst richtig an. Entsprechend ehrgeizig sind auch die Ziele zum Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland und Europa: Zum 1. Oktober waren ca. 48.000 Ladepunkte an die Bundesnetzagentur gemeldet. Ziel der Bundesregierung ist es, bis zum Jahr 2030 im öffentlichen Raum 1 Million Ladepunkte zu installieren. Einen ähnlichen Weg schlägt die E-Mobilität überall in Europa ein.
Auf einer Skala vom reinen Hardware-Anbieter bis zur Software-Company: Wo steht compleo hier zurzeit, und wo geht die Reise hin?
Georg Griesemann: Wie gesagt ist es unser Ziel mit der Compleo 2.0 Komplettanbieter für Ladetechnologie zu sein. Hierzu gehört beides: Hightech in den Hardware-Komponenten und Software für ein leistungsfähiges Backend. Wir wollen also das beste aus beiden Welten in Compleo vereinen und damit unseren Kunden auch das beste Angebot im Markt bieten. Der nächste logische Schritt ist natürlich Compleo 3.0, das heißt, dass wir unser Geschäft noch stärker europäisieren und als führenden Anbieter in Europa die immensen Potenziale in den Märkten für uns nutzen.
Georg Griesemann ist seit 2019 Co-CEO von Compleo Charging Solutions. Langjährige Börsianer werden den studierten Diplomkaufmann vermutlich noch aus seiner Zeit (2012 bis 2014) als Finanzvorstand des heutigen MDAX-Konzerns TAG Immobilien kennen. Dazwischen war Griesemann bei diversen Unternehmen in leitender Position tätig – etwa bei dem Modehändler Schustermann & Borenstein oder der Acrest Property Group. Begonnen hat er seine Karriere 2000 als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei KPMG. Bei der in Dortmund ansässigen Compleo arbeitet er im Vorstandsteam mit Checrallah Kachouh (Co-CEO), Peter Gabriel (CFO) und Jens Stolze (COO). Zum 1. Januar 2022 übernimmt Georg Griesemann die Rolle des Vorstandsvorsitzenden (CEO) für die gesamte Gruppe und verantwortet unter anderem den europäischen Vertrieb.
Fotos: Clipdealer, Compleo Charging Solutions AG