Frank Niehage, Vorstandsvorsitzender der FinTech Group, ist ohnehin schwer zu bremsen. Doch bei seinen jüngsten Präsentationen vor Experten aus Finanz und Politik hat er nochmals einen Gang hochgeschaltet. Kein Wunder: Gut 2,5 Jahre nach seinem Amtsantritt bei dem damals in erster Linie aus dem Discountbroker flatex bestehenden Finanzdienstleister, hat der ehemalige Goldman Sachs-Banker für so viele Schlagzeilen wie selten zuvor gesorgt. Insbesondere die Einführung von Negativzinsen auf Kundenguthaben bei flatex ist in der gesamten Branche seit Wochen ein Dauerthema. „Wir haben unsere Kunden nicht verschreckt. Wir führen keine versteckten Gebühren ein“, sagt Niehage – auch mit Blick auf die Konkurrenz. Getuschelt wird zwar, dass beispielsweise die mittlerweile zur comdirect bank gehörende OnVista Bank (Slogan: “Negativzinsen? Nicht bei uns!”) ein Profiteur der neuen flatex-Richtlinie ist. Noch gibt es aber keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele Kontoinhaber sich aufgrund der Negativzinsen tatsächlich von flatex abgewendet haben. Auf einem ganz anderen Blatt steht zudem, wie die wirtschaftlichen Effekte zu bewerten sind. Schließlich gibt es eine Reihe von Kunden, die ihre Guthaben in erster Linie aus dem Grund auf mehrere Kreditinstitute verteilen, um das Geld über die Einlagensicherungsfonds optimal zu schützen – ansonsten bei dem jeweiligen Institut aber inaktiv sind. Und genau diesen „Service“ will Niehage eben nicht mehr gratis anbieten. Schließlich ist er der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft – und der Aktienkurs lebt am Ende von möglichst hohen Gewinnen sowie einer knackigen Investmentstory.
Entsprechend gespannt waren die Anleger auf die vorläufigen Jahreszahlen für 2016 sowie den Ausblick, zumal die FinTech Group frühzeitig hat durchblicken lassen, dass sie eine Erhöhung der Prognose erwägt. Nun liegen die Karten auf dem Tisch: Im abgelaufenen Jahr kamen die Frankfurter bei Erlösen von 95 Mio. Euro auf ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 30,6 Mio. Euro. Avisiert hatte Niehage ein EBITDA in einer Bandbreite von 30 bis 35 Mio. Euro. Letztlich hat das Unternehmen auf operativer Basis also eher den unteren Bereich der Spanne touchiert. Deutlich besser sieht es unterm Strich aus: Der Jahresüberschuss drehte 2016 von minus 2,2 auf plus 12,3 Mio. Euro. Die Vorschau des Managements bewegte sich hier in einer Range von 8 bis 10 Mio. Euro, wobei die Analysten eine Größenordnung von rund 10 Mio. Euro auf dem Schirm hatten. „Ausschlaggebend war neben dem organischen Wachstum in der Tochter flatex das neu aufgestellte B2B-Geschäft mit attraktiven neuen, langfristigen Mandaten“, heißt es offiziell. Hier arbeitet die FinTech Group mit Unternehmen wie Rocket Internet, Commerzbank, Deutsche Post, Equatex, Morgan Stanley oder Zinspilot zusammen. „Das B2B-Geschäft ist sehr planbar. So etwas mag der Kapitalmarkt“, sagte Niehage zuletzt. Perspektivisch soll das Verhältnis der Erträge aus dem Firmenkundenbereich und dem Geschäft mit Privatkunden etwa 50:50 betragen. Zurzeit stammt der überwiegende Teil des Ergebnisses noch aus dem B2C-Bereich.
Sehen lassen kann sich auch der Ausblick auf das laufende Jahr: Statt eines Überschusses von zuvor 15,1 Mio. Euro, rechnet die Gesellschaft nun mit einem Gewinn von 16,8 Mio. Euro. „Wir haben begonnen, die Früchte der Neuausrichtung zu ernten. Obwohl unser Fokus nun klar auf Umsatzwachstum liegt, werden wir weiterhin ein Auge darauf haben, unsere Effizienz zu erhöhen und unsere Kostenführerschaft auszubauen“, sagt Muhamad Chahrour, Finanzvorstand der FinTech Group. Einen kleinen siebenstelligen Betrag dürfte dabei allein der Umbau der bislang recht komplexen Organisationsstruktur einsparen. Weitere Infos von boersengefluester.de zu der „Aus 5 mach 2-Strategie“ finden Sie HIER. Einziger Wermutstropfen aus Börsensicht: Mit der aktuellen Gewinnprognose bewegt sich die FinTech Group in Regionen, die von den Analysten ohnehin erwartet wurden.
Eine echte positive Überraschung sind die Daten also nicht. Trotzdem: Dafür sieht auch die Bewertung der FinTech Group-Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von weniger als 13 nicht sonderlich ambitioniert. Das betonen auch die Experten von Hauck & Aufhäuser in ihrer neuesten Studie. Einen Aufschlag für ein hippes FinTech-Unternehmen spendiert die Börse jedenfalls nicht. Allerdings halten sich die Gemeinsamkeiten mit den vielen Start-ups aus der FinTech-Szene auch in Grenzen. So gesehen verkauft das Unternehmen eher Schaufeln, als dass es selbst auf Goldsuche geht. Oder wie es Niehage diplomatisch ausdrückt: „Wir helfen sowohl vielen Banken bei der Neugestaltung ihrer IT-Landschaft als auch jungen neuen Playern, in den Markt einzutreten.“ Die jüngsten Kursziele der Analysten bewegen sich allesamt im Bereich um 24 bis 28 Euro. Solche Regionen scheinen für boersengefluester.de zurzeit zwar reichlich hoch angesiedelt. Aber verglichen mit vielen anderen Aktien verfügt der Titel über eine gute Chance-Risiko-Relation.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
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