Bestimmt nicht clever, einzelnen Quartalen bei der Aktienanalyse ein zu großes Gewicht beizumessen. Sehr viel wichtiger ist regelmäßig das große Bild. Bei Intershop Communications macht boersengefluester.de aber gern mal eine Ausnahme: Jedenfalls finden wir es bemerkenswert, dass der Spezialist für E-Commerce-Lösungen im Abschlussviertel 2020 erstmals überhaupt mehr als 2 Mio. Euro seiner Erlöse aus dem Bereich Cloud und Subscription gezogen hat. Die Gesamterlöse von 9,35 Mio. Euro im vierten Quartal 2020 waren sogar der höchste Quartalsumsatz seit dem Abschlussviertel 2017. Entsprechend gelöst waren der zur Hauptversammlung (HV) Anfang Mai scheidende CEO Jochen Wiechen und der künftig als Alleinvorstand agierende und jetzige COO Markus Klahn im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de. „Wir sind wesentlich berechenbarer geworden“, sagt Wiechen mit Blick auf den Kapitalmarkt. Soll heißen: Alle vier Quartale 2020 waren positiv – sogar auf Ebene der Netto-Ergebnisse.
Das hat es eine halbe Ewigkeit nicht mehr gegeben. Keine Gewinnwarnung oder sonstige unliebsame Überraschungen diesmal. Intershop hat das geliefert, was es versprochen hat. Und so ist es auch zu verstehen, wenn Wiechen sich grundsätzlich zwar – wie er es ausdrückt – „bullish“ zeigt, aber beim Ausblick doch geerdet bleibt. Für 2021 ist demnach bei geringfügig steigenden Erlösen mit einem leicht positiven Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) zu rechnen – nach einem EBIT von 1,04 Mio. Euro im Jahr zuvor. Richtig prickelnd ist das – wenn man sich schon auf schwarze Zahlen festlegt – natürlich noch nicht. Aber die Entwicklung zeigt in die richtige Richtung. „Der Umbau Richtung Cloud erfordert viel Herzblut und eine Menge Investitionen“, sagt Wiechen. Es wird also noch etwas dauern, bis sich die volle Ertragskraft entfaltet. Die jüngste Entwicklung ist aber auch ein Signal an die Industrie- und Großhandelsunternehmen, dass sie bei Intershop einen verlässlichen Partner haben.
Im laufenden Jahr geht es nun darum, die sich bietenden Chancen konsequent zu nutzen. Die zuletzt um zwölf Prozent auf 7,7 Mio. Euro gekürzten Ausgaben für Marketing und Vertrieb sollen 2021 wieder um zehn bis zwölf Prozent heraufgefahren werden. „Wir wollen die Gunst der Stunde nutzen und in der Cloud weiter wachsen“, sagt COO Klahn. Das Umfeld ist günstig, denn Corona hat zunächst einmal zwar viele Prozesse verlangsamt. Der Druck auf die Digitalisierung insgesamt ist aber kräftig gestiegen. Ansonsten wird es unter der künftigen Alleinführung durch Klahn keine signifikanten Veränderungen in der Ausrichtung geben. Offenbar hat sich Intershop tatsächlich gut eingeschwungen. Im Aktienkurs hat sich das ebenfalls bereits bemerkbar gemacht, auch wenn sich der Titel zwischenzeitlich immer wieder längere Konsolidierungsphasen gönnt. Auf dem aktuellen Niveau von 4,20 Euro bringt es die Gesellschaft aus Jena auf einen Börsenwert von rund 60 Mio. Euro. Gemessen am Umsatz und dem langfristigen Ergebnispotenzial ist das alles andere als viel. Aber es dauert eben noch, bis das Interesse der Investoren im größeren Stil zurückkommt.
Momentan ist jetzt wohl für viele noch die zentrale Botschaft, dass Intershop überhaupt den Turnaround geschafft hat. Nun gilt es, die Equity-Story ein wenig nachzuschärfen und unter anderem stärker auf den kontinuierlich steigenden Anteil der wiederkehrenden Erlöse im Cloud-Bereich von zuletzt bereits 9,3 Mio. Euro abzustellen. Wer etwas Zeit mitbringt, sollte mit der Intershop-Aktie einen attraktiven Wert im Depot haben. Durchaus spekulativ, aber eben auch mit den entsprechenden Chancen – perspektivisch vielleicht sogar mit Aussicht auf eine Übernahme. Mitte März wird die im Prime Standard gelistete Gesellschaft ihren kompletten Jahresbericht 2020 vorlegen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 35,81 | 31,20 | 31,62 | 33,61 | 36,00 | 36,80 | 37,99 | |
EBITDA1,2 | 2,83 | -3,70 | -2,32 | 4,47 | 4,42 | 0,42 | 0,87 | |
EBITDA-Marge3 | 7,90 | -11,86 | -7,34 | 13,30 | 12,28 | 1,14 | 2,29 | |
EBIT1,4 | 0,41 | -5,92 | -6,47 | 1,04 | 1,31 | -2,87 | -2,53 | |
EBIT-Marge5 | 1,14 | -18,97 | -20,46 | 3,09 | 3,64 | -7,80 | -6,66 | |
Jahresüberschuss1 | -0,66 | -6,74 | -6,77 | 0,79 | 0,81 | -3,56 | -3,08 | |
Netto-Marge6 | -1,84 | -21,60 | -21,41 | 2,35 | 2,25 | -9,67 | -8,11 | |
Cashflow1,7 | 1,69 | -4,14 | -1,82 | 4,72 | 4,60 | 1,16 | 2,95 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,06 | -0,60 | -0,17 | 0,06 | 0,06 | -0,25 | -0,21 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
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