Nichts gegen Anlegerschutz und na klar soll auch alles seine Ordnung haben. Aber es ist schon verrückt, dass der Wertpapierprospekt zur laufenden Kapitalerhöhung (KE) von SFC Energy einen Umfang von 504 Seiten angenommen hat. Das sind nur ein paar Seiten weniger, als der Geschäftsbericht 2021 der Deutschen Bank umfasst – allerdings geht es bei dem DAX-Konzern um eine Bilanzsumme von 1.324 Mrd. Euro. Zum Vergleich: SFC Energy will bis zum 26. Juli 2022 via Bezugsrechts-KE brutto bis zu 56,4 Mio. Euro durch die Ausgabe von bis zu knapp 2,9 Millionen neuer Aktien zu je 19,50 Euro einnehmen. Bei voller Platzierung würde sich die Zahl der umlaufenden Anteilscheine so um rund 20 Prozent erhöhen.
Vielleicht ein gutes Omen: Die letzte Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht für alle Aktionäre fand im Sommer 2019 statt. Damals wurden 2,7 Millionen Aktien zu je 10,00 Euro platziert – und zwar ziemlich schnell. Die Entwicklung des Bezugskurses zeigt, dass bei dem Anbieter von Brennstoffzellen und Spannungswandlern in den vergangenen Jahren vieles in die richtige Richtung gelaufen ist. „Unser geschäftliches Umfeld war noch nie so gut wie heute“, sagt Peter Podesser im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de. Und genau diesen Rückenwind will Podesser jetzt nutzen, um das Geschäft auf die nächste Stufe zu hieven.
Rund ein Drittel des Emissionserlöses ist für die regionale und technologische Expansion reserviert. Dabei geht es unter anderem um Themen wie die nochmalige Ausweitung der Kooperation mit Toyota Tsusho zur Erschließung des südostasiatischen Raums, aber auch die Ausweitung der Geschäftsaktivitäten in den Vereinigten Staaten. Bislang wird der wichtige nordamerikanische Markt nämlich in erster Linie von Kanada aus adressiert. Mehr lokale Wertschöpfung soll hier für zusätzliche Vertriebspower sorgen. Ein weiteres Drittel des erhofften Mittelzuflusses ist für die Entwicklung der nächsten Brennstoffzellen-Generation mit einer Leistung von bis zu 100 Kilowatt – also etwa doppelt so viel bislang der SFC-Standard – geplant. Mit den dann noch verfügbaren Geldern aus der Kapitalerhöhung will Vorstand Peter Podesser das anorganische Wachstum forcieren.
Das können durchaus auch reine Technologiedeals wie der bereits 2018 erfolgte Einstieg in die Wasserstofftechnologie über die adKor GmbH aus der damals insolventen selbst börsennotierten Heliocentris sein. Wichtig bei Zukäufen ist, dass es sich um komplementäre Technologien handelt und darüber hinaus noch die Position auf dem europäischen und/oder den US-Markt stärkt. Für den Geschmack von boersengefluester.de ein insgesamt stimmiges Konzept. Aber natürlich heißt es für CEO Peter Podesser nun, dieses Konzept auch allen wichtigen Aktionsgruppen zu erläutern. In dem zurzeit so wackligen Börsenumfeld sicher kein Selbstläufer.
Andererseits zeigen die vielen positiven Meldungen von SFC Energy in den vergangenen Monaten, dass sich die Gesellschaft in einer Sondersituation befindet. Den Abschlag des Bezugspreises von rund elf Prozent zum aktuellen Aktienkurs von knapp 22 Euro wertet der Vorstand als guten Kompromiss: „Wir wollen ein faires Angebot für unsere – häufig schon langjährigen – Aktionäre machen“, sagt Podesser. Zumindest kurzfristig nicht zu hoch hängen sollten Investoren indes die Spekulation, SFC könne als Lieferant von Brennstoffzellen-Equipment für den Verteidigungsbereich möglicherweise schon 2022 signifikant von den avisierten höheren Wehretats profitieren. Nun: Verschlechtert hat sich die Ausgangslage für SFC Energy in diesem Sektor aber auch nicht – im Gegenteil. „Ein finanziell gut ausgestatteter Partner ist offen für neue Technologien“, sagt Podesser. Grundsätzlich ist es jedoch eindeutig so, dass das insbesondere das Geschäft mit den Kunden aus der Industrie künftig noch mehr an Gewicht gewinnen sollte.
Summa summarum müssen Aktionäre logischerweise selbst entscheiden, ob sie an der Kapitalerhöhung teilnehmen werden. Die Tatsache, dass SFC im aktuellen Umfeld diesen Schritt angeht, wertet boersengefluester.de jedoch eher aus einer Position der Stärke. Schließlich hat sich der Bedarf an dezentralen Energielösungen im Zuge der aktuellen politischen Entwicklungen nochmals verstärkt. Last but not least hoffen wir freilich, dass die mit den mehr 500 Seiten Wertpapierprospekt verbundenen organisatorischen Abstimmungen mit den Wirtschaftsprüfern, Beratern und Rechtsanwälten nicht zu sehr auf das operative Geschäft gedrückt haben. Bezeichnend ist es aber schon, dass die Lücke zwischen Brutto- und Nettoerlöse der jetzigen Kapitalerhöhung vermutlich knapp 4,3 Mio. Euro ausmachen wird. Dabei möchten wir besser gar nicht wissen, wie viele Investoren am Ende tatsächlich alle 504 Seiten des Prospekts lesen werden.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 54,29 | 61,70 | 58,54 | 53,22 | 64,32 | 85,23 | 118,15 | |
EBITDA1,2 | 0,86 | 2,48 | 1,70 | -0,99 | -0,80 | 8,59 | 14,62 | |
EBITDA-Marge3 | 1,58 | 4,02 | 2,90 | -1,86 | -1,24 | 10,08 | 12,37 | |
EBIT1,4 | -0,89 | 1,33 | -1,29 | -4,50 | -5,11 | 3,60 | 9,16 | |
EBIT-Marge5 | -1,64 | 2,16 | -2,20 | -8,46 | -7,95 | 4,22 | 7,75 | |
Jahresüberschuss1 | -2,07 | 0,00 | -1,93 | -5,18 | -5,83 | 2,02 | 21,06 | |
Netto-Marge6 | -3,81 | 0,00 | -3,30 | -9,73 | -9,06 | 2,37 | 17,83 | |
Cashflow1,7 | 1,70 | 2,01 | -1,26 | -0,60 | 1,08 | -4,76 | 3,58 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,23 | 0,00 | -0,17 | -0,39 | -0,40 | 0,07 | 1,18 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Foto: SFC Energy AG