Im Herbst 2023 kam wirklich alles zusammen bei Apontis Pharma: Gewinnwarnung, Kursabsturz, Lieferprobleme und der Krankenkassen-bedingte Verlust von Marktanteilen beim Top-Produkt Atorimib, Vorstandswechsel und ein notwendig gewordenes Restrukturierungsprogramm. Normalerweise dauert es ziemlich lang, bis das Vertrauen der Investoren nach so einem Desaster vorsichtig zurückkehrt – gerade im Nebenwertebereich. Bei dem auf Single Pills – das sind Arzneimittel, die zwei bis drei pharmazeutischen Wirkstoffe in einer Tablette kombinieren – spezialisierten Unternehmen ist dagegen relativ schnell Ruhe eingekehrt. Das liegt auch daran, dass Neu-CEO Bruno Wohlschlegel bei seinen Präsentationen vor Kapitalmarktexperten einen durchweg guten Eindruck hinterlassen hat. So jedenfalls der Tenor in den jüngsten Analystenstudien zu Apontis Pharma.
Erleichterung macht sich insbesondere wohl auch deshalb breit, weil die überwiegend im Bereich Herz-Kreislauf-Erkrankungen tätige Gesellschaft mit Sitz in Monheim am Rhein scheinbar kein grundlegendes Problem hat. „Mit dem Portfolio lässt sich großes Wachstum generieren, wenn man die richtigen Hebel ansetzt“, sagt Bruno Wohlschlegel im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de. Dazu gehört insbesondere eine Neuausrichtung der Marketingaktivitäten weg von der allgemeinen Bewerbung des Single Pills-Konzepts hin zu einer stärkeren Betonung der einzelnen mittlerweile 14 Kombinationspräparate. „Produkte mit dem stärksten Wachstumspotenzial werden wir mit besonderem Nachdruck vermarkten”, sagt der frühere Merck-Manager Wohlschlegel, der kurz vor seinem Einstand gleich mal 15.000 Apontis-Aktien als Vertrauensbeweis gekauft hat.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 54,71 | 44,80 | 40,04 | 39,24 | 51,18 | 55,73 | 36,96 | |
EBITDA1,2 | 12,40 | 2,81 | -1,72 | 1,00 | 2,36 | 5,57 | -13,28 | |
EBITDA-Marge3 | 22,66 | 6,27 | -4,30 | 2,55 | 4,61 | 9,99 | -35,93 | |
EBIT1,4 | 11,74 | 2,50 | -2,29 | -0,66 | 0,62 | 3,77 | -15,16 | |
EBIT-Marge5 | 21,46 | 5,58 | -5,72 | -1,68 | 1,21 | 6,77 | -41,02 | |
Jahresüberschuss1 | 11,58 | 2,37 | -2,39 | -1,18 | -0,75 | 2,69 | -12,68 | |
Netto-Marge6 | 21,17 | 5,29 | -5,97 | -3,01 | -1,47 | 4,83 | -34,31 | |
Cashflow1,7 | 31,09 | 4,46 | -0,24 | 1,45 | 3,43 | 11,02 | -12,60 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,36 | 0,28 | -0,28 | -0,14 | -0,09 | 0,32 | -1,49 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
Hinweis: Die Zahlen für 2017 bis 2018 in der Tabelle sind nur bedingt vergleichbar.
Markante Veränderungen gibt es auch im Vertriebsbereich: So wird die Zahl der Außendienstmitarbeiter deutlich gekürzt, die verbleibenden Pharmareferenten werden sich aber stärker auf die wirklich wichtigen Praxen fokussieren und darüber hinaus auch einen Multichannel-Ansatz nutzen, um die Kontaktfrequenz zu den Arztpraxen auf die nötige Taktung zu hieven. Auf hohem Niveau bleibt derweil der Launch neuer Produkte. Bis 2025 sollen 20 Single Pills auf dem Markt sein. Last but not least hat Apontis seine Lehren aus der Abhängigkeit von Herstellern oder auch Kooperationspartnern gezogen. Unliebsame Überraschungen wie 2023 sollen somit auf ein Minimum reduziert werden, gleichwohl wird sich etwa die Abhängigkeit von den Ausschreibungsverfahren der gesetzlichen Krankenkassen nicht gänzlich ausschalten lassen.
Der hohe medizinische Nutzen unserer Single Pill-Kombinationen lässt sich in verhinderten Todesfällen messen, das wurde jüngst wieder in einer großen randomisierten Studie nachgewiesen. „Es muss ein Ruck durch die Gemeinde gehen, diesen Nutzen Patientinnen und Patienten in Deutschland nicht weiter vorzuenthalten“, sagt Bruno Wohlschlegel. Finanztechnisch gilt es derweil, die bilanziellen Auswirkungen des Effizienzprogramms zu verkraften. Kapitalmaßnahmen sind in diesem Zusammenhang jedoch kein Thema. Mit dem Betriebsrat wurde dem Vernehmen Einigung erzielt, was den konkreten Stellenabbau und sonstige Sparmaßnahmen angeht. Den hierfür nötigen einmaligen Restrukturierungsaufwand hatte Apontis Pharma Anfang November 2023 auf 5 bis 8 Mio. Euro kalkuliert. „Wir werden in diesem Bereich bleiben“, sagt Wohlschlegel gegenüber boersengefluester.de – ohne näher auf einzelne Zahlen einzugehen.
Dabei bestätigt er auch in einem Atemzug die bisherige Prognose für 2023, wonach bei Umsatzerlösen 36,1 Mio. Mio. Euro mit einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) vor Restrukturierungsaufwand von minus 8,6 Mio. Euro zu rechnen sei. Für 2023 müssen die Investoren also beide Augen zudrücken, und auch im laufenden Jahr dürften wohl noch einige Transformationseffekte zu spüren sein. Mit Blick auf die mittelfristig möglichen EBITDA-Margen gibt sich Wohlschlegel dafür umso kämpferischer: „Alles was einstellig ist, macht mich unruhig. Erst ab EBITDA-Margen von mehr als 15 Prozent sind wir im richtigen Korridor.“ Noch ist das jedoch Zukunftsmusik, und es gilt nachhaltig Vertrauen aufzubauen und beständig gute Ergebnisse zu liefern. Dann wird auch die Aktiennotiz ihren Weg zurück nach oben finden.
Die Kursziele der Analysten liegen mit einer Spanne von 12,50 Euro (Montega) bis 20,00 Euro (Warburg Research) noch extrem weit auseinander, was für ein Unternehmen in einer Transformationsphase allerdings nicht ungewöhnlich ist. Bei einem Aktienkurs von rund 4,40 Euro ist das exakte Ziel aber ohnehin zweitrangig. Potenzial ist so oder so massiv vorhanden. Dabei kam die Aktie erst im Mai 2021 zu 19,00 Euro im Frankfurter Scale-Segment an die Börse. Viele Investoren, die von Anfang an dabei sind, wären vermutlich froh, wenn sie überhaupt erstmal die Hälfte ihres Einstandskurses wiedersehen würden. Für risikobereite Neuanleger kann sich hier jedoch eine prima Chance-Risiko-Kombination ergeben.
Fotos: Unsplash+, Apontis Pharma AG
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