Größer könnten die Gegensätze kaum sein: Nach dem Studium des 76 Seiten umfassenden Halbjahresberichts 2018 (direkter Download: HIER) der German Startups Group (GSG) hat man eigentlich den Eindruck, dass die Berliner ein per saldo attraktives Portfolio an Start-up-Beteiligungen besitzen und sich darüber hinaus auch noch mitten in einer chancenreichen Transformation des Geschäftsmodells, hin zu einem Asset Manager mit eigener Transaktionsplattform, befinden. Die harte Realität – abgebildet im Aktienkurs – spricht jedoch eine andere Sprache. Knapp drei Jahre nach dem Börsengang mit einem Ausgabepreis von 2,50 Euro ist die Notiz auf 1,60 Euro abgerutscht. Das ist der bislang tiefste Stand überhaupt und steht für eine Marktkapitalisierung von gerade einmal 19,12 Mio. Euro. Zum Vergleich: Das auf die Anteilseigner entfallende Eigenkapital liegt zum Halbjahr bei 30,98 Mio. Euro. Demnach wird der Titel mit einem Discount von gut 38 Prozent auf den Buchwert gehandelt. Das klingt zunächst nach einem Schnäppchen, doch so einfach sind die Dinge an der Börse dann doch wieder nicht. Aktionäre von Beteiligungsgesellschaften wie Heliad Equity Partners oder auch Berliner Effektengesellschaft können seit Jahren ein Lied davon singen. Trotz aller Anstrengungen sind Abschläge von um die 30 Prozent auf den NAV hier eher die Regel als die Ausnahme. Und selbst ein piekfeines Unternehmen wie MBB wird derzeit mit einem Rabatt von vermutlich mehr als 25 Prozent auf den Substanzwert gehandelt.
Im Interview mit FINANCE-TV ließ GSG-CEO Christoph Gerlinger kürzlich ein wenig Dampf ab und sagte: „Wenn sich der Abstand des Aktienkurses zum NAV nicht verringert, sind wir stark geneigt, unser Portfolio komplett zu verkaufen.” Im aktuellen Halbjahresbericht ist die Wortwahl zu diesem Thema zwar ein wenig gedämpfter, im Grunde bestätigt Gerlinger aber seine Überlegungen: „Das Bestandsportfolio der German Startups Group soll wie schon im vergangenen Jahr nur noch moderat und zielgenau erweitert und über die nächsten Jahre veräußert werden, um den darin gebundenen Net Asset Value und weitere Veräußerungsgewinne zu realisieren und diese zum Beispiel in Form von Aktienrückkaufprogrammen den Aktionären gutzubringen.“
Die große Frage ist freilich, ob es dem Team um Gerlinger überhaupt gelingen würde, das gegenwärtige Portfolio mit Unternehmen wie Mr. Spex (Online-Optiker), Chrono24 (Luxus-Uhren), Book A Tiger (Plattform für die Vermittlung von Reinigungskräften, an dem auch TAKKT beteiligt ist), friendsurance (Optimierung von Versicherungen), Service Partner One (Büro-Management), TV Smiles (Werbe-App), Junique (Kunst, Wohnaccessoires) oder Fiagon (Computergestützte Chirurgie) gewinnbringend zu verkaufen. Zumindest mit Blick auf das Gesamtpaket dürfte ein solches Unterfangen zumindest langwierig sein. Außerdem ist es nicht unbedingt von Vorteil, wenn potenzielle Investoren wissen, dass die Beteiligungen aktiv ins Schaufenster gestellt werden. Ein Prozess, den etwa Oliver Borrmann (damals bmp-Vorstand, heute SLEEPZ) vor einigen Quartalen bei der Veräußerung seines „Wohlfühl-Portfolios“ mit Unternehmen aus dem Mediensektor nur zu gut kennt.
Noch nicht gezündet – zumindest was eine positive Wirkung auf den Aktienkurs angeht – hat derweil der Aufbau des Beteiligungsmarktplatzes G|S Market. Dabei klingt das Konzept durchaus viel versprechend. „Die neue Onlineplattform soll qualifizierten Anlegern Zugang zum gesamten Spektrum von Anlagemöglichkeiten in der Assetklasse <German Tech> verschaffen und zwar schon mit Investmentbeträgen ab 200.000 Euro, während Direktinvestments und VC-Fonds oft erst ab siebenstelligen Mindestbeträgen zugänglich sind“, sagt Gerlinger und betont im gleichen Atemzug: „Die Loslösung von der eigenen Bilanz eröffnet ganz neue Wachstumsperspektiven.“ Gegenwärtig werden auf G|S Market Startup-Anteile von zehn Unternehmen angeboten – allesamt aus dem Beteiligungskreis der Berliner.
Dem Vernehmen nach ist es aber mitnichten so, das über G|S Market derzeit die Anteile der German Startups Group verkauft werden. Vielmehr nutzt Gerlinger hier die bestehenden Kontakte und will via G|S Market Liquidität in den an sich wenig liquiden Handel mit Beteiligungen bringen. Vorbilder für G|S Market sind dabei US-Unternehmen wie Sharepost und iCapital Network. Mindestens genauso spannend ist nach Auffassung von boersengefluester.de die für Ende 2018 geplante Auflage des Venture Capital-Fonds G|S Tech50. „Ziel ist es, an möglichst vielen der Top50 wertvollsten deutschen Startups Anteile zu erwerben und damit Anlegern in einem einzigen Anteilsschein die Partizipation an einer ganzen Zahl führender deutscher Technologie-Wachstumsunternehmen zu ermöglichen“, sagt Gerlinger.
Summa summarum liefert der Kursverlauf zwar ein super tristes Bild und wirkt alles andere als einladend auf Investoren. Und fast schon beängstigend war auch, wie viele Aktionäre Mitte Juni 2018 das auf 200.000 Stück limitierte öffentliche Rückkaufangebot zu je 1,85 Euro annehmen wollten. Immerhin wurden der German Startups Group damals fast zwei Millionen Stücke angedient. Bleibt abzuwarten, wie sich die Lage bei künftigen Offerten entwickeln wird, schließlich hat das Unternehmen bereits angekündigt, dass Veräußerungserlöse aus dem Verkauf von Portfoliowerten auch künftig für den Aktienrückkauf (oder für Ausschüttungen) genutzt werden sollen. Restriktionen sind hier freilich die ausreichende Dotierung von Mitteln für die Tilgung von Darlehen sowie der – im März 2018 emittierten und 2023 fälligen – Wandelanleihe im Volumen von 3 Mio. Euro. Der Wandlungspreis beträgt 2,5033 Euro – komplett gezeichnet wurde der Bond damals übrigens von Obotritia Capital, die wiederum dem bekannten Investor Rolf Elgeti zuzurechnen ist. On top hatte Elgeti damals ein Aktienpaket von 8 Prozent erworben, welches vom ehemaligen GSG-Manager Nikolas Samios gestammt haben dürfte.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 9,61 | 12,53 | 16,45 | 0,13 | 11,10 | 13,32 | 4,79 | |
EBITDA1,2 | 2,70 | 2,34 | 4,84 | -1,12 | 6,79 | 2,61 | -7,67 | |
EBITDA-Marge3 | 28,10 | 18,68 | 29,42 | -861,54 | 61,17 | 19,59 | -160,13 | |
EBIT1,4 | 2,27 | 1,72 | 4,19 | -1,12 | 5,61 | -5,31 | -82,49 | |
EBIT-Marge5 | 23,62 | 13,73 | 25,47 | -861,54 | 50,54 | -39,87 | -1.722,13 | |
Jahresüberschuss1 | 1,68 | -0,68 | 3,42 | -0,74 | 14,08 | 6,85 | -81,51 | |
Netto-Marge6 | 17,48 | -5,43 | 20,79 | -569,23 | 126,85 | 51,43 | -1.701,67 | |
Cashflow1,7 | -2,00 | -1,60 | 0,88 | -1,75 | -5,83 | 10,76 | -2,68 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | -0,05 | 0,26 | -0,05 | 0,28 | 0,16 | -1,76 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,02 | 0,02 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Forvis Mazars |
Wirklich zufrieden kann Elgeti mit seinem Investment bislang nicht sein. Andererseits gibt es unserer Meinung nach eben doch eine Menge Argumente, die eher für die GSG-Aktie sprechen. Zum Schluss noch der offizielle Ausblick für 2018: „Der Fokus soll unverändert auf einer weiteren Steigerung der EBIT-Margen und damit der Profitabilität, beispielsweise durch eine weitere Reduktion der Fremdleistungskostenquote erreicht werden. Für den Konzern erwartet GSG aus heutiger Sicht für das Gesamtjahr 2018 ebenfalls ein positives Ergebnis.“ Auch das hört sich doch gar nicht so schlecht an, nachdem zum Halbjahr bereits ein – im Wesentlichen durch den Wertzuwachs wichtiger Beteiligungen entstandener – Überschuss von 1,42 Mio. Euro in den Büchern steht.
