Der eigentliche Startschuss fällt vermutlich erst am 17. Oktober. Dann wird Peer Reichelt in München auf der m:access-Fachkonferenz „Finanzdienstleistungen“ die Netfonds AG erstmals vor einer breiteren Börsengruppe präsentieren. Bis dahin soll auch eine aussagekräftige Analyse des Hamburger Researchhauses Montega vorliegen. Notiert ist die Netfonds-Aktie freilich schon ein paar Tage – genau genommen seit dem 3. September 2018. Dabei handelte es sich nicht um ein klassisches IPO, bei dem auch neue Anteilscheine via Kapitalerhöhung platziert werden, sondern um eine reines Listing mit einer Erstnotierung von 29,50 Euro. „Noch sind wir weit weg von einer liquiden Aktie“, räumt Peer Reichelt, Vorstand von Netfonds, im Gespräch mit boersengefluester.de ein. Entsprechend bedingt aussagekräftig sind auch die Schwankungen des Titels in der Anfangsphase. Zwar beträgt der Streubesitz offiziell immerhin 46 Prozent, was bei einer Marktkapitalisierung von 53,5 Mio. Euro ganz ordentlich ist. De facto sind dem Free Float aber alle Stücke zugerechnet, die nicht vom Management gehalten werden. Konkret handelt es sich dabei um mehr als 100 private und institutionelle Anteilseigner – darunter auch die Deutsche Balaton –, bei denen noch völlig offen ist, wie sie sich verhalten werden. Offizielle Haltevereinbarungen seitens des Managements gibt es zwar nicht, grundsätzlich haben sich die Verantwortlichen aber dazu bekannt, nicht unter die Schwelle von 50 Prozent rutschen zu wollen.
Bekannt ist Netfonds in der Finanzszene in erster Linie durch ihre Aktivitäten als Maklerpool und Haftungsdach. Für eine knackige Börsenstory ist das freilich nicht ausreichend und so haben sich die Hamburger auch das Thema „Digitalisierung“ groß auf die Fahnen geschrieben. „Wir wandeln uns von einer vertrieblich offline arbeitenden Gesellschaft zu einer IT-Company. Das ist unsere Wachstumsstory“, sagt Reichelt. Im Zentrum steht dabei die cloudbasierte Abwicklungsplattform FinFire mit den Schwerpunkten Regulatory (Haftungsdach), Wholesale (Produkte), Technology (Software) sowie Marketing & Products (Vertrieb). In Summe wird Netfonds knapp 5 Mio. Euro in den Aufbau von FinFire – der Rollout beginnt im Herbst 2018 – investiert haben. Allein rund 3 Mio. Euro davon entfallen auf das laufende Jahr. Das bisherige Feedback in das neue Produkt könnte laut Reichelt besser kaum sein: „Da haben wir den Zahn der Zeit getroffen.“
Dementsprechend hoch sind auch die Erwartungen an den geschäftlichen Erfolg, wenngleich die Investitionen in FinFire im laufenden Jahr dafür sorgen werden, dass der Gewinn nur knapp auf dem Niveau von 2017 liegen dürfte. In der Kommunikation Richtung Börse dürfte für die Netfonds AG vermutlich die EBIT-Marge (Ergebnis vor Zinsen und Steuern in Relation zum Umsatz) die zentrale Steuerungsgröße sein. Intern schaut Reichelt dagegen eher auf die Rohertragsmarge – also das Verhältnis von Gesamtleistung minus Provisionsaufwendungen im Verhältnis zum Umsatz. Hinweis: In unserer Kennzahlentabelle zu Netfonds stellen wir derzeit auf die Brutto-Umsätze ab. Die Unterschiede sind enorm: 2017 erreichten die Brutto-Umsätze knapp 86,0 Mio. Euro, abzüglich der Provisionsaufwendungen bleibt ein Netto-Umsatz von 17,1 Mio. Euro. Hier bleibt es abzuwarten, ob sich die Brutto- oder Nettogröße für die Beurteilung des Unternehmens am Kapitalmarkt durchsetzen wird.
Alle Optionen offen lässt sich Netfonds-Vorstand Reichelt, was künftige Kapitalerhöhungen angeht. Auf der jüngsten Hauptversammlung schaffte die Gesellschaft einen Rahmen zur Ausgabe von bis zu 422.170 neuen Aktien. „Konkrete Pläne für die Nutzung haben wir nicht“, sagt Reichelt. Im gleichen Atemzug verweist er aber darauf, dass sich die Netfonds AG in der Rolle des aktiven Konsolidierers sieht und Übernahmen regelmäßig ein Thema sind. Als Blaupause für künftige Arrondierungen nennt er etwa den im Mai 2018 erfolgten mehrheitlichen Einstieg bei der V-D-V GmbH aus Hamburg – einem Anbieter cloudbasierter Software für Makler und Versicherer. Letztlich geht es Reichelt also darum, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, möglichst viele Verträge über die eigene Plattform laufen zu lassen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 17,12 | 20,19 | 26,47 | 31,82 | 38,64 | 33,62 | 36,60 | |
EBITDA1,2 | 2,58 | 1,39 | 3,43 | 4,17 | 15,65 | 6,47 | 4,91 | |
EBITDA-Marge3 | 15,07 | 6,88 | 12,96 | 13,10 | 40,50 | 19,24 | 13,42 | |
EBIT1,4 | 1,89 | -0,17 | 1,16 | 1,81 | 11,67 | 2,96 | 1,34 | |
EBIT-Marge5 | 11,04 | -0,84 | 4,38 | 5,69 | 30,20 | 8,80 | 3,66 | |
Jahresüberschuss1 | 1,27 | -0,72 | -0,40 | 0,03 | 8,74 | 0,88 | -0,28 | |
Netto-Marge6 | 7,42 | -3,57 | -1,51 | 0,09 | 22,62 | 2,62 | -0,77 | |
Cashflow1,7 | 1,57 | -0,04 | -9,68 | 5,22 | -17,77 | 3,07 | 1,50 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,45 | -0,33 | -0,19 | 0,01 | 3,79 | 0,38 | -0,12 | |
Dividende8 | 0,20 | 0,15 | 0,00 | 0,16 | 0,25 | 0,25 | 0,25 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: NPP |
Wichtiger Hinweis: Bis 2015 AG-Zahlen, anschließend Konzerndaten von Netfonds
Zur börsenmäßigen Vergleichsgruppe zählen nach Auffassung von boersengefluester.de Unternehmen wie JDC Group, Capsensixx und mit Abstrichen auch (der auf Baufinanzierungen fokussierte Überflieger) Hypoport. Eins zu eins vergleichbar ist Netfonds aber mit keinem Unternehmen aus dieser Gruppe. Eine Bereicherung für den Kurszettel ist die Aktie von Netfonds aber allemal. Vorstand Peer Reichelt weiß, wie die Börsianer ticken. Wir hatten schon mehrfach Gelegenheit, mit ihm auf Aktienkonferenzen zu sprechen: unter anderem wegen der personellen Verbindung zum Finanzdienstleister Value Management Research (siehe dazu unseren Bericht von 2015 HIER). Zudem hat sich die Gesellschaft mit Ingo Middelmenne einen IR-Profi zur Seite geholt. Am Ende kommt es aber natürlich darauf an, dass Netfonds liefert und die erhofften Wachstumsschübe ab 2019 präsentiert. Dann wäre auch die aktuell noch sportlich anmutende Bewertung deutlich relativiert. Geeignet ist der Titel gleichwohl nur für sehr risikobereite Investoren, die auch den Depotanteil mit Bedacht wählen. Gerade in den ersten Wochen und Monaten ist eine valide Kurseinschätzung kaum möglich. Nächster wichtiger Termin ist der 25. September 2018. Dann legt das Unternehmen den Halbjahresbericht vor.
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