Drei Monate Kaufpause hat sich Frank Niehage gegönnt. Jetzt, zur Veröffentlichung der finanziellen Eckdaten für das erste Quartal 2022, hat der flatexDEGIRO-CEO aber wieder zugeschlagen und 4.000 Aktien des Discountbroker-Verbunds gekauft. Mit der Transaktion steht Niehage freilich nicht allein, denn der Zwischenbericht des SDAX-Unternehmens kommt an der Börse prima an und hievt die Notiz zumindest wieder auf rund 16 Euro. Wirklich zufrieden ist damit aber wohl kaum jemand, schließlich laufen die Geschäfte noch immer ziemlich gut – wenn auch nicht mehr in der verrückt hohen Dynamik wie zum Höhepunkt der Corona-Börsenrally im ersten Halbjahr 2021. Damals – genau genommen am 30. Juni 2021 – erreichte die flatexDEGIRO-Aktie mit splitbereinigt 29,70 Euro auch ihr All-Time-High.
Insbesondere das deutlich geringere Kundenwachstum aus dem dritten Quartal 2021 ließ die Anleger jedoch vorsichtiger werden und sorgt seitdem für ein tendenziell südwärts gerichtetes Chartbild. Auf der virtuellen Pressekonferenz demonstrierte das Vorstandsteam der Frankfurter aber einmal mehr Zuversicht und bestätigt die bisherigen Prognosen. „Für uns war es ein sehr gutes erstes Quartal – trotz des ambitionierten Marktumfelds“, sagt Niehage. So fiel das um Sonderfaktoren adjustierte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahrs „nur“ um rund ein Viertel um 54,5 Mio. Euro zurück. Verglichen mit dem direkt vorangegangenen Quartal – also Q4 2021 – steht dagegen sogar ein Plus von gut 75 Prozent.
Dabei hat das Team um Frank Niehage, um die europäische Expansion voranzutreiben, im ersten Quartal 2022 die Rekordsumme von 18,4 Mio. Euro für das Marketing ausgegeben. Mit das wichtigste Ziel ist dabei die Stärkung der Markenbekanntschaft – insbesondere in den Wachstumsmärkten außerhalb der Kernländer Deutschland, Niederlande und Österreich. Ebenfalls positiv: Die Lücke zwischen berichtetem und tatsächlichem EBITDA ist im Auftaktviertel 2022 weiter auf nun auf überschaubare 2,7 Mio. Euro geschrumpft.
Und selbst wenn das Thema „Rückvergütung von Handelsplätzen“ – im Finanzsprech „Payment For Order Flow“ (PFOF) – vom Verbots-Tisch der EU verschwunden scheint: Mindestens eine Erwähnung wert ist trotzdem, dass von den 118,1 Mio. Euro Umsatz aus dem ersten Quartal 2022 nur noch 0,7 Prozent aus dieser unter Regulatoren so umstrittenen Quelle stammen – nach rund 3 Prozent im ersten Quartal. Verglichen mit der Erlösstruktur der meisten Neo-Broker, hätte ein PFOF-Verbot flatexDEGIRO zwar ohnehin nicht markant getroffen, aber gleichwohl stand eine weitere Reduktion der PFOF-Erlöse fest auf der Agenda. „Das war unser Versprechen“, sagt CFO Muhamad Chahrour.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Ein gutes Signal sind auch die mehr als 185.000 Neukunden aus dem ersten Quartal, was einem Zuwachs von 31 Prozent gegenüber Jahresende 2021 entspricht. Dass die Zahl der aktiven Brokerage-Accounts mit einem Anstieg von 150.000 auf nun 2,21 Millionen deutlich niedriger ausfällt, hängt damit zusammen, dass sich flatexDEGIRO von sogenannten Non-Brokerage-Kunden aus dem früher durchaus bedeutsamen B2B-Geschäft aktiv trennt. Im Gesamtjahr wird sich die Zahl dieser Accounts vermutlich um rund 50.000 verringern, womit die Differenzierungen zwischen den beiden Kundengruppen der Frankfurter künftig entfallen. In Sachen Transparenz und Erklärungsbedürftigkeit des Geschäftsmodells sicher ein Pluspunkt für das Prime Standard-Unternehmen.
Summa summarum läuft bei flatexDEGIRO auch in Börsenzeiten, in den das Wasser nicht mehr bergauf fließt, vieles in die richtige Richtung. Das sollte sich dann auch im Aktienkurs nachhaltig ausdrücken. Immerhin ist die Bewertung des Unternehmens am Kapitalmarkt alles andere als sportlich. Und so verwundert es nicht, dass im Februar des laufenden Jahres plötzlich Spekulationen um ein vermeintliches Interesse von Private Equity-Investoren an flatexDEGIRO mit dem Ziel eines Börsenrückzugs die Runde machten. Auszuschließen ist ein solches Szenario natürlich nie, doch auf dem Presse-Call machte CEO Frank Niehage unmissverständlich klar: „Bei einem Aktienkurs von 16 Euro kann niemand ernsthaft glauben, dass Interesse von uns besteht, Anteile zu verkaufen.“ Im Gegenteil: Niehage hat schließlich erstmal wieder aufgestockt.
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