„Das ist ein großer Erfolg und weitem nicht normal“, sagt Frank Niehage, CEO von flatexDEGIRO, beim Presse-Call anlässlich der vorläufigen Jahreszahlen für 2023. Demnach sind mittlerweile rund 70 Prozent der im Dezember 2022 erstmals öffentlich kommunizierten Themen aus der BaFin-Sonderprüfung abgearbeitet, was dem Discountbrokerverbund zunehmend mehr finanziellen Spielraum für die Umsetzung der eigenen Wachstums- und Investor Relations-Strategie gibt. Der eigentlich wichtige Punkt ist jedoch, dass 2023 – so schwer das Börsenumfeld für handelsmüde Privatanleger auch gewesen ist – kein verlorenes Jahr war, in dem sich die Gesellschaft in erster Linie mit sich selbst und Regulatorik beschäftigt hat. Am Ende liegen der Umsatz mit 390,7 Mio. Euro sowie das um Auswirkungen aus der Veränderung von Rückstellungen für variable Vergütungen bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (adjustiertes EBITDA) mit 154,4 Mio. Euro klar über den zuletzt kommunizierten Prognosen des Vorstand.
„Die operative Ertragskraft hat im Laufe des Jahres zugenommen“, sagt CFO Benon Janos. Kräftig Rückenwind gab es dabei von den um mehr als 90 Prozent auf 136,3 Mio. Euro gestiegenen Zinseinnahmen. Hintergrund: Die Frankfurter bieten für Einlagen auf den korrespondierenden Konten der Wertpapierdepots keine Guthabenzinsen, legen das Geld auf der anderen Seite aber kurzfristig bei der EZB an und vereinnahmen die Erträge hieraus. In der Szene ist das immer wieder ein Aufregerthema, zumal sich etliche Banken und Broker zwischenzeitlich mit Zinsofferten geradezu überboten hatten. Doch es bleibt dabei: Die Kunden von flatexDEGIRO sind keine Zins-Hopper, sondern haben in erster Linie ihr mit Aktien, ETFs und sonstigen Produkten bestücktes Depot im Blick. Und hieraus zieht flatexDEGIRO mit zuletzt 4,13 Euro Provision je Transaktion (2022: 4,06 Euro) immer mehr Ertrag. „Unsere Monetarisierungsstrategie funktioniert“, sagt Niehage.
Dass 2023 trotzdem ein anspruchsvolles Jahr gewesen ist, zeigt sich daran, dass der unbereinigte Gewinn nach Steuern um ein knappes Drittel auf 71,9 Mio. Euro zurückgefallen ist. Darin enthalten sich jedoch auch die Aufwände aus Sonderzahlungen an die Belegschaft, Bußgelder Richtung BaFin und Italien sowie Abschreibungen auf Immobilienfonds von in Summe knapp 19 Mio. Euro, die im laufenden Jahr so allesamt nicht wieder zu erwarten sind. Entsprechend forsch fällt die Prognose aus. Demnach kalkuliert der SDAX-Konzern für 2024 mit einem Umsatzplus zwischen 5 und 15 Prozent auf dann 410 bis 449 Mio. Euro. Unterm Strich soll der Gewinn dabei um 25 bis 50 Prozent in die Höhe gehen, was auf einen Überschuss zwischen 90 und 108 Mio. Euro hinauslaufen würde.
Drei Dinge sind an diesem Ausblick bemerkenswert: Zunächst einmal unterstellt Finanzvorstand Benon Janos keine Entwicklungen, die derzeit noch nicht valide absehbar sind. Das gilt insbesondere für Zinserträge und Provisionserlöse, aber auch für das Marketingbudget, was im laufenden Jahr nochmals auf rund 30 Mio. Euro (2023: 34,0 Mio. Euro, 2022: 48,9 Mio. Euro) leicht gestutzt werden soll. Zweitens würde der Mittelwert beim erwarteten Nettogewinn auf ein Ergebnis je Aktie von etwas mehr als 1,10 Euro hinauslaufen, womit die flatexDEGIRO-Aktie auf ein 2024er-KGV von weniger als 9 kommen würde. Dagegen lässt sich wohl kaum etwas sagen – entsprechend hoch ist das Aufwärtspotenzial des Titels. Dritter bemerkenswerter Punkt ist, dass die Gesellschaft überhaupt den Nettogewinn als Referenzgröße für ihren Ausblick heranzieht. Bislang hatte flatexDEGIRO stets das – in der Praxis oft schwammige – bereinigte EBITDA als Zielgröße verwendet.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Damit soll nun Schluss sein, das Thema „adjusted“ gehört in der Kommunikation Richtung Kapitalmarkt also der Vergangenheit an. Eine Entscheidung, die boersengefluester.de ausdrücklich begrüßt, auch wenn die Schere zwischen „bereinigt“ und „berichtet“ in Zukunft ohnehin deutlich kleiner geworden wäre. Noch nicht final entschieden ist dabei, ob auch in den Zwischenberichten für Q1 und Q3 der Net-Profit explizit ausgewiesen wird. Im Halbjahresbericht ist die Zahl ohnehin obligatorisch. In diesen Kontext passt, dass die Frankfurter auch an anderer Stelle alte Zöpfe abschneiden und ihre bisherige an den Themen „Fin“ (Financial Services) und „Tech“ (Technologies) orientierte Segmentberichterstattung neu aufstellen und künftig zwischen flatex und DEGIRO unterscheiden.
Keine Frage: Das ist wesentlich griffiger und spiegelt die Gewichte im Konzern sehr viel besser wieder. Laut Benon Janos sind beide Teile in etwa gleich groß und liefern momentan auch auf (bereinigter) EBITDA-Basis vergleichbare Resultate. Einfacher zu merken, könnte es für die Startformation also kaum sein. Inwiefern an dem immer wieder kolportierten Getuschel um ein vermeintliches Investoreninteresse von amerikanischer oder asiatischer Seite tatsächlich etwas substanziell dran ist, lässt sich hingegen kaum sagen. Kurzfristig ist diesbezüglich aber wohl eher nicht mit einschneidenden Veränderungen zu rechnen. Kursrelevanter könnte da ab dem dritten Quartal wohl schon eher das angekündigte Aktienrückkaufprogramm von bis zu 10 Prozent der Anteile werden. Ein entsprechender Vorschlag soll jedenfalls auf der Hauptversammlung am 4. Juni 2024 stehen.
Last but not least ist auch der Blick auf die allgemeinen Börsenkurse und Stimmung der Investoren ein wichtiger Indikator für die Richtung der flatexDEGIRO-Aktie. Und zumindest der aktuelle DAX-Stand auf Rekordhoch lässt da einiges erwarten. „Das Jahr ist stark gestartet“, verrät denn auch CEO Frank Niehage auf dem Presse-Call am 28. Februar. Der jüngste Rücksetzer im Chartbild deutlich unter die Marke von 10 Euro ist daher wohl eher eine gute Einstiegsgelegenheit für Anleger.
Foto: Unsplash+
Jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter BGFL WEEKLY anmelden. Das Angebot ist kostenlos und präsentiert die Highlights von boersengefluester.de (BGFL) sowie Interna aus der Redaktion. Der Erscheinungstag ist immer freitags. Wer Interesse hat und noch nicht registriert ist, kann das gern unter diesem LINK tun. Wir freuen uns auf Sie! Selbstverständlich behandeln wir Ihre E-Mail-Adresse vertraulich und verwenden sie ausschließlich für den Versand des Newsletters BGFL WEEKLY.