Kurz durchatmen: Bei der Ansicht des frisch vorgelegten Halbjahresberichts von secunet Security Networks ist boersengefluester.de mit als Erstes aufgefallen, dass die zum Jahresende 2021 noch 119,5 Mio. Euro an liquiden Mitteln auf nur noch 5,1 Mio. Euro geschrumpft sind. Zudem steht auf der Passivseite des traditionell frei von Bankschulden agierenden Anbieters von leistungsstarken Sicherheitskomponenten zur Abwehr von Cyberangriffen plötzlich ein Darlehen von 6,8 Mio. Euro. „Wo ist denn das ganze Geld hin?“, war unsere naheliegende Frage. Die Antwort hätten wir uns allerdings auch selbst zusammenreimen können: 49,4 Mio. Euro hat secunet für den sofort fälligen Cash-Anteil des im Mai 2022 übernommenen Cloudspezialisten SysEleven bezahlt (siehe dazu auch unseren Beitrag HIER). Ende Mai folgte außerdem noch die Dividendenausschüttung von 34,8 Mio. Euro – entsprechend 5,38 Euro je Aktie.
Das restliche Delta ist offenbar übliche Schwankungsmasse, die secunet nicht näher erläutert. Und bis zum Jahresende sollte sich der Bestand an liquiden Mitteln auch wieder deutlich erholen, immerhin ist das Geschäft Cashflow-stark. Ansonsten haben die Essener ein solides, aber eher unspektakuläres zweites Quartal hingelegt: Der Umsatz war mit rund 70 Mio. Euro etwas höher als im Auftaktquartal, das EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) von 6,4 Mio. Euro dagegen um knapp ein Viertel niedriger als in den ersten drei Monaten 2022. Hier wirken sich auch für secunet die allgemein höheren Beschaffungspreise aus. Insgesamt steht nach sechs Monaten 2022 ein Umsatzrückgang von 8,2 Prozent auf 135,49 Mio. Euro in den Büchern. Das EBIT fiel sehr deutlich überproportional um 38,6 Prozent auf 14,89 Mio. Euro zurück. Entsprechend kommt secunet zum Halbjahr auf eine operative Marge von rund 11 Prozent. Damit liegt das Unternehmen noch spürbar unter der für das Gesamtjahr angepeilten Rendite von etwa 15,5 Prozent. So sieht die Planung Erlöse von etwa 320 Mio. Euro sowie ein EBIT im Bereich um 50 Mio. Euro vor.
Das zweite Halbjahr muss also sehr viel besser werden, aber das tut es bei secunet in der Regel auch. Insbesondere das Abschlussquartal ist für die Essener immer wieder entscheidend. „Dies hängt mit den Beschaffungsprozessen der öffentlichen Bedarfsträger zusammen, die den Hauptanteil der Kundschaft ausmachen. Auch für das laufende Geschäftsjahr 2022 deutet sich bereits ein solcher Verlauf an“, betont die Gesellschaft. Unabhängig davon bleibt es aus jetziger Sicht jedoch dabei, dass nach sechs Jahren mit stürmischem Wachstum zunächst einmal eine Beruhigung auf Hochplateau ansteht. Hauptgrund ist, dass sich die Wachstumstreiber (Innere Sicherheit, Corona, Konnektor für Telematik in Arztpraxen) im behördlichen und privaten Bereich nicht beliebig fortschreiben lassen. Im Grunde gut nachvollziehbar, allerdings hatte die zwischenzeitlich extrem sportliche Bewertung der secunet-Aktie keinen Raum für ein eben solches Szenario.
Von dem Anfang November 2021 erreichten Rekordniveau etwas nördlich von 600 Euro hat der SDAX-Titel nun allerdings auch um fast 60 Prozent eingebüßt. Damit bringt es secunet jetzt auf einen Börsenwert von 1.615 Mio. Euro, was mit Blick auf das für 2022 zu erwartende Ergebnis zwar noch immer ambitioniert ist. Allerdings hat sich an der langfristigen Wachstumsstory und der super Marktstellung von secunet nichts geändert. Daher würden wir auch sagen, dass es besser ist die Aktie bei Kursen unter 250 Euro im Depot zu haben, als sie nicht zu besitzen. Immerhin gibt es nicht viele heimische Unternehmen mit dermaßen viel Qualität wie secunet. Bleibt noch die Frage nach den frischen Bankschulden: Dabei handelt es sich um einen ganz normalen Kontokorrentkredit, der vermutlich im Zusammenhang mit der SysEleven-Transaktion steht. Und was die Kursfantasie um weitere Aufträge aus dem Bundeswehr-Sonderetat angeht: Hier braucht es Geduld. Positive Effekte sind dem Vernehmen nach frühestens für 2023 zu erwarten. Vom Tisch ist das Thema aber nicht.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 158,32 | 163,29 | 226,90 | 285,59 | 337,62 | 347,22 | 393,69 | |
EBITDA1,2 | 25,28 | 29,11 | 39,91 | 59,70 | 73,81 | 61,88 | 60,44 | |
EBITDA-Marge3 | 15,97 | 17,83 | 17,59 | 20,90 | 21,86 | 17,82 | 15,35 | |
EBIT1,4 | 23,45 | 26,91 | 33,18 | 51,64 | 63,88 | 47,01 | 42,98 | |
EBIT-Marge5 | 14,81 | 16,48 | 14,62 | 18,08 | 18,92 | 13,54 | 10,92 | |
Jahresüberschuss1 | 15,87 | 17,82 | 22,18 | 34,98 | 42,90 | 31,29 | 29,00 | |
Netto-Marge6 | 10,02 | 10,91 | 9,78 | 12,25 | 12,71 | 9,01 | 7,37 | |
Cashflow1,7 | 20,35 | 7,67 | 31,25 | 56,38 | 53,74 | -3,96 | 51,88 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,45 | 2,77 | 3,44 | 5,43 | 6,66 | 4,84 | 4,51 | |
Dividende8 | 1,20 | 2,04 | 1,56 | 2,54 | 5,38 | 2,86 | 2,36 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Foto: secunet Security Networks AG