Eigentlich hatte sich die Finanzgemeinde auf einen großen Showdown zur Hauptversammlung am 4. Juni 2024 eingestellt – nachdem flatexDEGIRO-Großaktionär Bernd Förtsch Ende März in einem Interview mit der Wirtschaftswoche öffentlich auf Distanz zu Frank Niehage, dem CEO des Discountbrokerverbunds um flatex und DEGIRO, gegangen war. Zwar stemmte sich Frank Niehage wenig später in einem Interview mit dem Handelsblatt vehement gehen die Vorwürfe, am Ende ging der Machtkampf aber doch sehr viel schneller zu Ende, als zu vermuten war. Immerhin gilt der wortgewaltige ehemalige Goldman Sachs-Banker Niehage nicht gerade als jemand, der sich schnell einschüchtern lässt. Nun scheidet Frank Niehage mit Wirkung zum 30. April 2024 als CEO der flatexDEGIRO AG sowie sämtlichen weiteren Mandaten innerhalb des Verbunds aus. Offiziell aufgrund von „unterschiedlichen Auffassungen zur strategischen Entwicklung sowie zum Wohle der Gesellschaft“.
Knapp zehn Jahre nachdem Frank Niehage bei der damaligen flatex Holding, die dann wenig später in FinTech Group umfirmiert wurde, an Bord gekommen ist, nun also das Aus. Dabei hätten die zehn Jahre kaum bewegter sein können, immerhin hat das Team um Niehage in dieser Zeit – mit der dafür nötigen Beinfreiheit aus Kulmbach – aus flatex einen internationalen Brokeragekonzern formiert. Und wir sind ganz offen: Boersengefluester.de hatte seit dem ersten persönlichen Treffen in einem beliebten Café direkt neben dem Frankfurter Opernturm von Anfang an einen besonders guten Draht zu Niehage. In manchen Punkten war er sogar so etwas wie ein Sparringspartner für uns, immerhin befand sich boersengefluester.de damals selbst noch in einer Phase kurz nach der Gründung. Und auch flatex war in der Kapitalmarktszene zu jener Zeit alles andere als eine angesagte Aktie.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Jedenfalls können wir uns noch gut an einige Präsentationen vor Analysten und Investoren erinnern, wo kaum jemand was mit dem Begriff der FinTech Group anfangen konnte. Andererseits sind solche Investmentstorys genau unser Hometurf. Mit dem rasanten Wachstum von flatex – und später vielleicht auch dem Umzug des Unternehmens vom Frankfurter Westhafen in den Omniturm mitten ins Bankenviertel – hat sich die Bande zwar ein wenig gelöst, zumal auch zunehmend mehr internationale Analysten und Investoren die Quartals-Calls von flatexDEGIRO dominierten. Insgesamt blieb Niehage auf Presse-Calls aber regelmäßig Ansprechpartner für uns. Insgesamt sind alle Kapitalmarktprofis natürlich sehr gespannt, welche Akzente der künftige CEO setzen wird. Vorerst übernehmen CFO Benon Janos und Stephan Simmang übergangsweise die Aufgaben von Niehage.
Die Suche nach einem Nachfolger für Niehage ist aber bereits eingeleitet und soll dem Vernehmen nach schon kurzfristig abgeschlossen sein. Hinter den Kulissen wurde in den vergangenen Wochen also bereits viel auf diesen Tag vorgearbeitet. Frank Niehage bedankt sich derweil bei Vorstand, Aufsichtsrat und Mitarbeitern für das Vertrauen der vergangenen Jahre und kündigt an, dem Unternehmen als Aktionär verbunden zu bleiben. Das ist – trotz der weiten Interpretationsfähigkeit – schon allein deshalb ein wichtiger Nebensatz, weil das Management von flatexDEGIRO in den vergangenen Jahren massive Insiderkäufe getätigt hat, ein potenzieller Aktienüberhang also durchaus eine Belastung für den Kurs sein könnte.
Losgelöst davon wird boersengefluester.de weiterhin über die operative Entwicklung bei dem SDAX-Unternehmen berichten, immerhin bleibt die Story super spannend und bekommt jetzt womöglich nochmals einen neuen Dreh. Kann ja auch sein, dass Medien-Unternehmer Bernd Förtsch (DER AKTIONÄR, BÖRSE ONLINE) seinen Anteil weiter aufstockt oder auch das Thema Akquisitionen an Relevanz gewinnt. Zudem dürfte es viel darum gehen, den Marken flatex und DEGIRO noch mehr Strahlkraft einzuhauchen. Der Zeitpunkt dafür, ist durchaus gut. Immerhin sind Fleißthemen wie die von der BaFin geforderten Änderungen in den Arbeitsabläufen weitgehend abgearbeitet. Und am Ende ist es natürlich besser, wenn über der Aktie kein irgendwie gearteter Zwist zwischen CEO und Großaktionär lastet.
Vermutlich haben sowohl der von uns ebenfalls sehr geschätzte Bernd Förtsch als auch Frank Niehage Recht in ihren Punkten. Aber viel Platz für Sentimentalitäten ist nicht im Haifischbecken Börse. Insofern ist es gut, dass die Auseinandersetzung schnell beendet ist und klassische operative Themen damit wieder in den Vordergrund rücken. Bewertungstechnisch hat der Titel ohnehin einiges zu bieten. Und volatile Börsen sind quasi der natürliche Freund von Broker-Aktien.
Foto: Clemens van Lay auf Unsplash
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